Der Flettner-Rotor

Flettner Rotoren - rotierende Zylinder - sind die mechanische Darstellung der Traglinientheorie zum Tragflügel. Diese Theorie sagt vereinfacht aus: Hat man einen sich drehenden Rotor aus Luft und strömt diesen an, bildet sich aus der Überlagerung eine Geschwindigkeits- und Druckdifferenz ähnlich wie um einen profilierten Flügel. Es entstehen Auftrieb und Widerstand.

Flettner ersetzte den mathematischen Luftwirbel durch eine rotierende Walze, die Luft auf der Oberfläche mitbewegt. Eine kluge Idee, denn seine Rotoren konnte man zum Beispiel vertikal auf ein Schiff setzen und dann lieferten sie im Wind Auf- und Vortrieb wie ein Segel. Und das hat wirklich gut funktioniert, solange die Umfangsgeschwindigkeit des Rotors 3 mal höher war als die Anströmgeschwindigkeit - der scheinbare Wind beim Segeln. Doch gut war nicht gut genug, um gegen die aufkommenden 2-Takt-Diesel als Rotorsegelschiff eine Chance zu haben.

Wenig beachtet wurde jedoch bis heute ein besonderer Vorteil der Rotoren:
Rotoren sind selbstreffend! Gemeint ist damit das Folgende:

 Man kann die Funktion der Rotordrehzahl mit der Funktion des Anstellwinkels vergleichen: Je grösser für eine gegebene Flächen in einer gegebenen Anströmung der Anstellwinkel, desto höher der Auftrieb, bis es zum Strömungsabriss kommt. Bei einem Rotor gilt dies sinngemäß für das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeit zur Anströmgeschwindigkeit. Beträgt die Umfangsgeschwindigkeit (rauhigkeitsanhängig) das 3 bis 3fache der Anströmgeschwindigkeit, entwickelt der Rotor maximalen Auftrieb.

Ist der Rotor als Antrieb auf einem Segelschiff montiert, so wächst in einer Boe die Anströmgeschwindigkeit, während sich das Verhältnis von Umfangs- zu Anströmgeschwindigkeit verschlechtert. Der Auftrieb bleibt daher in einer Boe im besten Fall identisch für den Rotor, das ist ein Sicherheitsfeature und eine Gleichmäßigkeitsbedingung, die für einen professionellen Einsatz nicht zu unterschätzen ist. Erwähnt wird es leider kaum, geglaubt leider auch kaum, obwohl es entsprechende Untersuchungen und Kurven seit Jahrzehnten gibt. 

Flettner baute recht erfolgreich Rotorschiffe mit zwei- und drei Rotoren für den professionellen Einsatz. Aufgrund meiner Erfahrung mit Tandem-Flächen würde ich jedoch bei einem Rotor-Segelschiff (also kein Motorschiffersatz)einen einzelnen und optimierten Rotor der Tandemanordnung immer vorziehen. Und optimiert heißt zunächst einmal, dass da keine Walze im Wind rotieren muss, was mechanisch nicht ganz einfach ist und schwierig zu beherrschende Kreiselmomente mit sich bringt, sondern dass nur eine Rotoroberfläche rotiert. Genauer:

Man sieht ein festes Rotorrundprofil vor und lässt lediglich dessen leichte Oberfläche rotieren. Lagerung: Luft. Vorteil: Mechanisch einfach und überaus stabil, Schiff kann nie durchkentern bei geschlossenem Profil. Eine rotierende harte Folie bringt so gut wie keine Kreiselmomente eins und ist in der Drehzahl mangels größerer Massenträgheit leicht zu regeln. Es gibt heute vermutlich auch Materialpaarungen, die ohne Luftlager auskommen könnten.

Damit würde ich den Rotor in vielen Anwendungen eine Zukunft versprechen.    

Als Flugzeugflügel sind solche Flettner-Rotoren leider nicht zu gebrauchen. Das Flugzeug würde gleiten "wie ein Stein". Auch Versuche, die Flettner-Walze in einen Flügel zu integrieren waren wenig erfolgreich. Sogar der auf frühere Überlegungen von Flettner rückgreifende Versuch eines "Transportbandes" im Flügel hatte keinen Erfolg. Trotz vieler Patente dazu - siehe oben. 


Das Problem liegt hier darin, dass diese Lösungen mit "Flettner im Profil" die Zirkulation um den Rotor herum unterbrechen, sozusagen durch den Flügel abscheren. Es entsteht gar kein rotierendes Feld, nicht einmal ansatzweise. Und das bisschen rotierende Metalloberfläche im Flügel bewirkt für sich allein so gut wie nichts. Auch nicht als Transportband, denn schon Flettner selbst, der zunächst solch ein Band als Segel auf einem Schiff installieren wollte, erkannte, dass zwei freistehende Rotoren in einem bestimmten Abstand zueinander viel wirksamer waren.

Eigene Erfahrungen und Ideen


1998/1999 habe ich am Flugplatz Saulgau (Firmenstandort der Tandem Aircraft KG) einen mannsgrossen Rotor gebaut und dann auf ein Fahrgestell, ein Trike, gestellt. Mit Batterieantrieb konnte ich dann bei etwas Wind problemlos auf dem Trike die Startbahn "entlangsurfen", wenn kein Flugbetrieb war. Resultat:

Es ist ein großer Unterschied, ob man eine Theorie zu diesen Rotoren liest, ein kleines Modell baut, oder ob man neben einem solchen Rotor auf einer Lafette steht und sich von diesem Rotor antreiben lässt. Wobei die Besonderheit bei meinem Flettner-Rotor darin bestand, dass dieser mit hartem "Tuch" fest bespannt war. Der Vorteil: Der Druckpunkt am Rotor ist dann akustisch zu orten, da das Tuch über einen vertikal angeordneten schmalen Bereich (Druckpunkte) bei der Erzeugung von Auftriebs ständig aufs Neue verformt wird und daher lokal "rauscht".

Mit dieser Methode könnte man bei Rotoren in der wissenschaftlichen Untersuchung übrigens problemlos den Druckpunkt orten und verfolgen. Passive akustische Einrichtungen der benötigten Art, die den Ort einer Geräuschquelle auf den Zentimeter genau auf dem Computerbildschirm abbilden, es ja bereits. So könnte die Rotorforschung schnelle Fortschritte in Sachen Druckpunktwanderung bei Rauen Oberflächen relativ zur Drehzahl erreichen. Und es wäre auch möglich, mit dieser Methode die Chance auf eine optimale Auftriebsverteilung durch differenzierte Rauigkeit zu ermitteln.

Veröffentlicht wurden meine Erfahrungen mit Rotoren in dem oben gezeigten Heftchen der AYRS.




Doch es gibt noch eine andere Lösung: Wie die Graphik oben zeigt, konnte ein Herr Thom, ein unbekannter schottischer Ingenieur, vor 60 Jahren nach 10 Jahren Arbeit zeigen, dass viele große Scheiben an einem Flettner-Rotor dessen Leistung beträchtlich anheben. Aus einem maximalen Auftriebsbeiwert des Flettner-Rotors von ca. 12 wird mit Thom-Scheiben ein Auftriebsbeiwert von 20! bei einem Sechstel des Widerstands! Das ist eine Verzehnfachung der Gesamtleistung.

Unten eine Graphik, die einen Flügel und verschiedene Rotoren vergleicht:

Ein Flugzeug könnte also statt Flügel solche Thom Rotoren haben, wenn die Sache nicht einen Haken hätte. Der haken:

Der Übergang von einem rotierenden Zylinder mit Endscheinen und mit weiteren Scheiben a la Thom zu einer Turbine des Typs Tesla, die mit rotierenden Scheiben in geringem Abstand arbeitet, ist fließend. Und der Thom-Rotor mit vielen Schieben ist einer frei fahrenden, aber angeströmten Teslaturbine weit ähnlicher als einem Flettner-Rotor. Thom hat also eine Art von "Luftpumpe" (Luftbeschleuniger) gefunden, die bei der benötigten Antriebsleistung einer bestimmten Luftmenge aus der Anströmung eine Beschleunigung in einem bestimmten Winkel verleiht. Das macht jeder Flügel, aber der Thom-Rotor macht das als "Pumpe" recht effizient. Ein brauchbarer Flügel ist der Thom-Rotor dadurch jedoch nicht.

Es dürfte aber Thom-Rotoren möglich sein, bei denen die Scheiben verschiedene Rauigkeiten aufweisen und so für stabile Wirbelzöpfe in der umgelenkten und beschleunigten Luft sorgen. Damit dürfte eine Maximum an Leistung zu erreichen sein, ohne in den Scheibenabständen akribisch bestimmte, günstige Abstandsverhältnisse einhalten zu müssen.        

Der Thom-Rotor als Flügelersatz bei Flugzeugen, die eine gute Gleitleistung aufweisen sollen, ist also unrealistisch. 

Dennoch halte ich Rotoren im Bodeneffekt für sinnvoll und machbar. Hier noch eine Skizze von 1998:


Meine Idee von 1998 besagte Folgendes:

Tandemartig angeordnete Flettner-Rotoren sind in eine Art Trimaran integriert. Zwischen den Rotoren ist eine nach meinen Erfahrungen wichtige Leitfläche angebracht und in den v-förmig angebrachten seitlichen Leitwerken befindet sich eine Trimm-Höhenruderfunktion. Die Rotoren sind einzeln in der Drehzahl ansteuerbar. 

Nachfolgend eine Stellungnahmen von Dr.-Ing. Neuwerth (RWTH-Aachen) zu meinem Vorschlag:

Seite 2, Seite 3

Ich habe 1999 in Speyer das Modell eines solchen Fahrzeugs gebaut und es mangels Eigenantrieb hinter einem Fahrzeug an langer Leine geschleppt. Mein Freund behauptet steif und fest, "das Ding" habe ruckartig abgehoben und die Höhe gehalten, leider wurde es bei diesem Test zerstört.

In der Stellungnahme zu dem oben abgebildeten Vorschlag eines Rotor-Bodeneffektflugzeuges wird darauf hingewiesen, dass Kreiselkräfte, hier insbesondere die Präzession, zu einem sehr unerwünschten Verhalten führen kann. Dieses Problem ist lösbar und ich habe diese Lösung 2010 einem Excellence-Cluster im Bereich Luftfahrt vorgeschlagen - ohne Resonanz.

Hier ist die Problemlösung und seine mögliche Ausführung am Modell:

Um die Statik des Modells viel einfacher zu gestalten, kann man den Rotor durch einen "Stator" ersetzen, also im einfachsten Falle durch ein fest mit dem Modell verbundenes, eloxiertes Aluminiumrohr entsprechend großen Durchmessers. Die gibt es mit 0,9 mm Wandstärke aus Perunal, einer hochfesten Leichtmetalllegierung bei den Drachenbauleuten Hängegleiter) und anderswo. 

Für die Rotation muss nicht der Rotor gedreht werden, sondern nur seine Oberfläche. Bei einem Modell würde sehr dünnes, leichtes, aber hartes. rohrförmig geklebtes Tuch (Spinnaker o.ä.) völlig ausreichen. In der Paarung mit Eloxal treten kaum Reibungskräfte auf. Ein umschlungener Gummi könnte diese Tuchrolle um das Rohr rotieren lassen.

Mit dieser Lösung sind die Präzessionsprobleme fast völlig vom Tisch, der Antrieb kann sehr leicht sein und die Statik des Flugzeuges ist "bombensicher".

In einer Originalversion würde man über einen luftgelagerte rotierende Oberfläche nachdenken. Die Druckkräfte sind nicht so hoch, als sich nicht eine Luftlagerung verwirklichen ließe. Und bei einem Original würde man natürlich auch keinen umschlingenden Gummi als Antrieb nehmen, sondern das ganze System mit Magneten ausstatten, die über Felder synchron bewegt werden.

Weil der Flettner-Rotor ein starkes 3-D-Wirbelfeld aufbaut, dessen deutlich Reduzierung einen großen Leistungssprung verspricht, habe ich 1999 den besten Einsatz eines Tandem-Flettner-Flugzeuges im Bodeneffekt gesehen. Hier wird das Wirbelfeld durch Bodenkontakt stark gemildert und hier kann der Rotor seine größte Stärke ausspielen: 

 

Mit Tandem-Rotoren wurde ein ähnliches System wie 1999 von mir vorgeschlagen 2012 von anderer Seite (Schweiz) verwirklicht.

Hier als Video. Hinweis zu solchen Modellversuchen:

Ein Modellflugzeug fliegt sozusagen in leichtem Sirup, denn auch wenn die Ähnlichkeitsgesetze über die Reynoldszahl eingehalten werden, bleibt es doch dabei, dass ein Modellflugzeug dem Medium über die geringe eigene Masse nur einen schwachen Impuls verleihen kann. 

Das führt bei sehr leichten Modellen dazu, dass sie sich in der Umströmung der 2-D-Umströmung annähern, also kein echtes 3-D-Abwindfelöd zeigen. Entsprechend hoch ist die Leistung, weil Teile des Widerstands, die bei der Originalgröße auftreten würden, fehlen. Das gilt auch und vor allem für Flettner-Modelle, weil der Flettner-Rotor ein starkes 3-D-Feld in der Abströmung aufbaut. Man darf sich also nicht verleiten lassen, bei solchen Systemen von der Modell-Leistung auf die Originalleistung zu schließen.

Hinweisen möchte ich betr. Rotorflügel und Modell auf die Seite http://www.crazyplanes.de von Peter Löhnert, der den Flettner- und Thom-Rotor als Nurflügel in die Luft gebracht hat und bereits wertvolle Erkenntnisse sammeln konnte, die er auch mitteilte - was zumindest mir gut gefällt.

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