Crabcraft

Der Amerikaner Wainfan war der erste, der einen lifting body als Ultraleicht entwarf, baute und erfolgreich flog. Ein Flugzeug, das an die Stealth-Flugzeuge erinnert, laut Wainfan aber vor diesen und unabhängig davon entwickelt wurde. Warum auch nicht, Ideen entstehen oft zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten.

Interessant ist, daß dieses Flugzeug in der Leistung den üblichen UL-Flugzeugen der einfachen Bauweise nicht nachstehen soll, sogar in puncto Stall und Trudeln sicherer sein soll und mit modernen Baustoffen aufgrund der facettierten Oberfläche extrem leicht gebaut werden könnte. Als Hohlkörper aus Sandwichplatten. Dazu gibt es eine schöne Studie

 Nachteilig ist aber, dass für solche Flugkörper keine standardisierten Daten ähnlich solchen von Flügelprofilen und Flächenformen vorliegen, sondern dass man solch einen Lifting body als einen Körper betrachten muß, für den es gilt, ein Gesamtströmungsfeld zu schaffen, das sinnvoll ist. Und was da sinnvoll ist, erklärt sich z.B. auch aus einer Betrachtung der Deltaflugzeuge.

Deltaflugzeuge entwickeln je nach Flügelform, Profil, Anstellwinkel und Ausformung ihrer Nasenkante zwei Arten von Auftrieb. Bei Deltas mit großem Nasenwinkel und großer Streckung überwiegt der Potentialauftrieb, der auf die gleiche Weise entsteht wie bei einem üblichen Flügel, durch eine Translationsströmung. D.h., der Flügel wird in Flugrichtung umströmt und beschleunigt Luft abwärts, wobei die Kunst ist, dass er dies mit möglichst geringem Widerstand tut. 

Bei Deltas mit einem kleinen Nasenwinkel, also kleiner Streckung, entstehen dagegen bei einem flachen Profilverlauf und einer scharfen Eintrittskante eine Rotationsströmung über der Oberfläche. Zwei Tütenwirbel, deren örtliche Zusatzgeschwindigkeiten einen  starken Auftrieb erzeugen - den Wirbelauftrieb. Er ist deutlich stabiler als der Potentialauftrieb, läßt also höhere Anstellwinkel zu, ist aber widerstandreich.

Wieviel Anteil welche Strömungsform bei solchen einem Flügel die Translations- und die Rotationsströmung hat, das erklärt die Grafik oben. Es können auch beide Formen im Wechsel, je nach Anstellwinkel vorkommen. 

Einen besonderen Nachteil hat die typische Deltaform aber auch:

 

Die obere Skizze zeigt die Auftriebsverteilungen über dem Flügel im Querschnitt - von hinten oder von vorne gesehen. Es fällt auf: Deltaflugzeuge weisen mittig einen sehr schwachen Auftrieb auf, es fehlt das schraffierte Gebiet. Ursache dafür ist, daß hinter dem Flügel mittig ein starkes Abwindfeld entsteht, bewirkt durch die starken Randwirbel, die bei jeder Auftriebsart auftreten. Starker Abwind mittig hinter einem Flügel hebt aber die Strömung mittig vor dem Flügel an - der effektive Anstellwinkel wird dort klein. Die Folge ist deutlich fehlender Auftrieb in der Mitte.

Ein lifting-body kann nun dieses "Mittenloch" im Auftrieb dadurch ein wenig zu füllen versuchen, daß er in diesem Bereich eine nicht profilartige, überhöhte Struktur aufweist, die über den Coanda-Effekt - die Strömung folgt der Oberfläche - einen Coanda-Zusatzauftrieb für die Oberseite erzeugt. Daadurch kann das "Mittenloch" ausgefüllt (schraffiert) oder schwächer werden.

(Wenn bei Sturm Dächer abgehoben werden, dann ist dies nicht die Folge klassischen aerodynamischen Auftriebs nach der Wirbeltheorie, sondern es ist die Folge eines Coanda-Oberflächenauftriebs.)

 Der mittlere Rumpfkörper für den Coanda-Auftrieb darf aber nicht wie die Oberseite eines Profils arbeiten, da dieser Auftrieb im Wirkort mit dem Anstellwinkel stark wandern würde. Schlecht für die Flugstabilität. Kantige Formen mit definierten Unterdruckgebieten an den Kanten bieten einen weit ortsstabileren Auftrieb, aber mit höherem Widerstand. Deshalb funktioniert das Facetmobile von Wainfan so gut. 

Die Unterseite des Körpers kann dagegen gerade sein oder wie hier gezeigt v-förmig. Dies erhöht die Rolldämpfung eines solchen Flugkörpers. Die Unterseite darf aber nach meinen Versuchen keine tiefen Finnen aufweisen, da auch Finnen (oder tief ragende Rumpfunterseiten) auf der Unterseite von Deltas eine Tendenz erzeugen, dass sich das Flugzeug auf den Rücken dreht. Die schlimmste Auslegung ist insofern jene, die einen Deltaflügel zeigt, bei dem die Finne (Seitenleitwerk) auf der Unterseite abgebracht ist. Diese Konfiguration dreht sich sofort auf den Rücken. 

 

Auch die Natur kennt "sinnvoll ausgelegte Flugkörper", etwa bei bestimmten Pfeilschwanzkrebsen Diese weisen einen flachen, umlaufende Randflügel auf, der seitlich stabilen Wirbelauftrieb möglich macht. Das wurde so auch von der NASA erprobt. Und in der Mitte sitzt dann wie oben erläutert ein "Rumpfmittelteil", das scharf vom Hinterteil getrennt ist. Das Hinterteil mit den "Dornen" sorgt dafür, dass keine großen Tütenwirbel abgehen, sondern kleine verteilte Wirbel. Das verhindert ein Taumeln des auftrieberzeugenden Körper in der Strömung über dem Meeresboden und liefert weniger Widerstand als das klassische "Abwindfeld".

Einverstanden: Wohl niemand außer mir sieht in diesem uralten Krebs einen flugfähigen Körper (lifting body), aber Form und Ausprägung sprechen dafür. 

Eine mögliche technische Lösung für ein "crabcraft":

 

Grundform ist der Umriß einer Parabel. Dazu bau gezeichnet ein horizontale ebene Fläche, mit der Tütenwirbel leicht erzeugt werden können. Um das "Mittenloch" dieses speziellen Parabelfliegers zu füllen, mittig eine kantige Struktur, wie sie Wainfan erfolgreich verwendete. Der hintere mittlere Bereich ist hohl geschnitten.

Doch eigentlich bin ich von diesem Konzept wieder weg und bei einem klassischer ausgelegten Parabelwing angelangt: 


Hier die Auslegung des Parabelflugzeugs von 2008 erstellt mit Vortex von Frank Ranis. Der abgebildete Flugkörper besitzt eine Spannweite von 7 m, hat eine Masse von 450 kg und weist bei 150 km/h ein Gleitverhältnis von 22:1 auf. Stabilitätsmarge 15%. Flügelhöhe Mitte 0,8 m. Ein Cockpit fehlt noch.

Man sieht deutlich, dass die Finnen den Wirbelabgang von der Fläche weg weiter nach oben verlegen wie Wingelts das auch tun sollen. Die Verschlechterung ohne Finnen (oder mit waagerechten Finnen = Flügelverlängerungen) beträgt rund 18%! 

 Der gleiche Flugkörper von unten.

 Hier die "inneren Werte". Die Idee beruht darauf, eine mit speziellen, im  Bereich des positiven Druckgradienten hohlgeschnittenen Profilen eine parabelförmige Zone geringen Druckes zu schaffen. Die gesamte Hinterkante kann eine differenzierte Klappenfunktion aufweisen. Stabilität in der Längsbewegung wird durch S-Schlag an der Hinterkante erreicht.  Stabilitäts-Marge 15%. 

Ob es gelingt, mit solchen Profilen, die in der Art einer Parabel quer zur Flugrichtung zu einem Körper angeordnet werden, für diesen eine Druck-/ Geschwindigeitsverteilung zu erzeugen, die vorteilhafter ist als für einen der heute diskutierten blended wing bodies, bei denen die einzelnen Profilschnitte weniger definiert sind (was problematisch sein kann, weil auf der Oberseite ein nicht voraussagbarer, stark wandernder Conandauftrieb entstehen kann,) bleibt noch abzuwarten und kann von mir leider auch nicht untersucht werden. 
 

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