Flugzeuge oder Kunst?



Eine Flotte goldener Schmuckstücke. Aus Kolumbien, ca. 1.000 Jahre(?) alt. Diese Schmuckstücke sehen erstaunlicherweise aus wie Flugzeuge mit einer Haupt- und einer dahinter angeordneten zweiten Fläche - Stabilisierungsfläche. Die Formen der Hauptfläche sind erstaunlich modern: 

Ganz links oben als Hauptflügel eine Parabelfläche, davor mittig eine Deltafläche, oben rechts eine vorgepfeilte elliptische Fläche, unten Mitte eine rückwärts gepfeilte Fläche mit gerader Hinterkante und ganz vorne eine stark rückwärts gepfeilte Fläche. Diese Formen werden so auch in jedem besseren Lehrbuch für die Auslegung von Flugzeugen gefunden und besprochen.

Das Seitenleitwerk ist jeweils konventionell und "nachfliegend" mit kleiner Streckung. Es sieht bei modernen Flugzeugen (siehe Photo) nicht anders aus.

Die Anordnung der Stabilisierungsfläche, kurzgekoppelt zur Hauptfläche und darunterliegend, kennt man so nicht aus der heutigen Flugzeugbauerei, wer sich jedoch mit positiv gestaffelten Tandem Flugzeugen beschäftigt hat, der weiß, dass diese Lage sehr sinnvoll ist, da sie der Hauptfläche hilft. Siehe dazu auch diese Zeichnung die zeigt, wie der untere Flügel im Nachlauf der anderen Fläche deren Druckverlauf auffüllt. Der schraffierte Teil entspricht dem Gewinn für die vordere Fläche, die gestrichelte Linie zeigte den Verlust für die hintere:

Ein interessantes Objekt ist das unten abgebildete. Es weist zusätzlich von mir eingezeichnete Linien auf, die jene Flächen definieren, deren Kombination von mir in einem Aerodynamik-Programm (Methode vortex lattice) modelliert und untersucht wurde. Solche ein Programm, das in einer Minute mehr Rechenschritte ausführt als ein Mensch mit einem Taschenrechner in Monaten ausführen könnte und das den Nachlauf der Flächen, deren Induktionen und anderes mehr berechnet, kann heute besser als jedes Modell zeigen ob und wie ein entsprechendes Flugzeug fliegen würde.     

von oben mit Hilfslinien

von oben

 Auffallend bei dem Modell sind die Wirbel vor der Tragfächenvorderkante, die bisher noch keine Erklärung finden konnten. Beschäftigt man sich jedoch mit der Aerodynamik und Geschichte der gepfeilten Flügel, so fällt auf, dass diese in jüngerer Zeit gerne mit sogenannten Vortilons ausgestattet werden. Das sind kleine senkrecht stehende Platten unter der Flügelvorderkante, die bei großen Anstellwinkeln Wirbel über die Pberseite des Flügels in Flugrichtung laufen lassen, die verhindern, dass die Strömung zur Flächenspitze hin abdriftet und so eine veränderte Laufstrecke hat und im Langsamflug nicht den möglichen sicheren Auftrieb gewährt. Siehe dazu auch wikipedia hier.

Woher man vor tausend und mehr Jahren wissen sollte, was Vortilons sind und dass diese nur an stark gepfeilten Flügeln von Vorteil sind, weil sie dort im Langsamflug stark wirksam sind, aber im Schnellflug keinen nennenswerten Widerstand erzeugen, das weiss ich nicht.

Unten eine Panelisierung des oben gezeigten Flugzeugs im Aerodynamik Programm:   
 

...

Die Ergebnisse, erzielt auch mit verschiedenen Profilkombinationen, zeigten, dass diese Konfiguration als manntragendes Flugzeug eine sehr stabile Längsbewegung und eine sehr gute Steuerbarkeit um alle Achsen gewähren würde. Die Gleitleistung sind gut, bezogen auf diese Grundform mit stark gepfeilten Flächen geringer Streckung.

Die tiefliegende und kurzgekoppelte Stabilisierungsfläche verhindert dabei, dass der für stark rückwärts gepfeilte Flügel zu erwartende Einbruch der Zirkulation (Auftrieb) im Mittenbereich ausbleibt, weil die Induktion der Flächen dort für einen verbesserten Nachlauf der oberen Fläche sorgt. Unten noch einmal die schematische Darstellung dieser vorteilhaften Induktion:

 

Wesentlich besser hätte man es auch mit Computerhilfe nicht machen können, wobei die Flächenspitzen der Stabilisierungsflächjen durch ihre Lage im Unterseiten- Abstrom der oberen Fläche nicht zu der ansonsten erwartbaren Ablösung der Stromung bei großen Anbstellwinkeln neigen.

Wäre der in den Goldmodellen/Schmuckstücken abgebildete Rumpf nicht so klobig - fast schon
"seltsam penishaft", wie ein befreundeter Urologe anmerkte, dann wäre sicher weit bessere Gleitleistungen zu erwarten. Unten der Nachlauf und Hauptwirbel eines solchen Flugzeuges.

Nachlauf



 
Die Einstellungen aus dem Aerodynamik-Programm wurden auf X-plane, einen Simulator, übertragen
und zeigten ein Flugzeug, das so problemlos flog, wie es das Aerodynamik-Programm anzeigte.

Mein persönliches Fazit:

Der Gedanke, dass solche Schmuckstücke Flugzeug darstellen, ist nicht abwegig. Die Stabilität des getesteten Flugzeuges ist gut, die Effizienz in der versuchten Auslegung typisch für ein Tandemflugzeug mit positiv gestaffelten Flächen. Auffallend ist bei dem gewählten Schmuckstück der seltsam klobige Rumpf sowie die dargestellten Wirbel, die jedoch eine Erklärung finden können. Und alle oben abgebildeten Typen von Flugzeugen sind prinzipiell flugtüchtig, wobei besonders die Ellipsenflügel interessant sind, denn deren Vorteile wurden erst vor 100 Jahren erkannt.

Doch um was handelt es sich nun bei den Schmuckstücken? Meine Meinung zu diesem Thema:

Prinzipiell war man schon vor vielen hundert Jahren in der Lage, sich anhand einfacher Modelle einer möglichen Auslegung manntragender Flugzeuge anzunähern. Harte und leicht bearbeitbare Rinde, kaum schwerer als Balsaholz, gab es schon immer und fast überall. Mit 30 cm Modellen kann man bei Verwendung ebener Platten als Profiltyp bei kleinen Reynoldszahlen durchaus brauchbare Leistungen und Eigenschaften erzeugen und manches an Flugmechanik lernen.

Doch Modelle außerhalb des Windkanals, die lediglich eine ähnliche Form aufweisen, sind aus bekannten Gründen nicht geeignet, über die Flugfähigkeit des Originals und insbesondere dessen Steuerbarkeit Auskunft zu geben - siehe dazu auch hier.

Unten die Polare der gezeigten Flügelkombination für eine kleine Drohne mit 240 kg Abflugmasse:


Unten diese Drohne 240 kg/11,6 m°2 mit einem leichten Jetantrieb in einer x-plane Simulation:

Wie es zu den oben gezeigten Flugzeugmodellen/Schmuck kommen konnte, mit denen man auch heute noch einen sehr interessanten Unterricht zur Flugzeugauslegung gestalten könnte, das muss leider offen bleiben. Wobei man den Rümpfen dieser Modelle evt. "Gesichter" gab, die die jeweilige Eigenschaft des Flugzeugs  spiegeln sollten. Nichts anderes machen Designer heute ja auch bei modernen "Autogesichtern".

Nette Idee dazu: Diese Flugzeuge als zulassungsfreie manntragende Flugzeuge in der 120 kg Klasse bauen. 

 

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